Große Unsicherheit herrscht seit Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hinsichtlich der Durchsetzbarkeit geschlechterspezifischer Ungleichbehandlung bei der Besetzung von Arbeitsstellen.
Nun hat das Bundesarbeitsgericht hierzu eine Entscheidung getroffen.
Ausgangspunkt war die Besetzung von Nachtdiensten in einem Mädcheninternat, bei dem der Arbeitgeber die Bewerberauswahl von vornherein auf weibliche Bewerberinnen beschränkt hat. Hiergegen hatte ein Bewerber auf die Stelle auf Entscheidungen wegen Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geklagt.
Das Bundesarbeitsgericht hält die Klage für unbegründet. Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch gemäß 15 ABS: 2 AGG liegen nicht vor. Zwar wäre der Bewerber i. S. v. § 3 Abs. 1 AGG unmittelbar benachteiligt worden. Aber die unterschiedliche Behandlung war nach § 8 Abs.1 AGG zulässig, da das Geschlecht im vorliegenden Fall aufgrund der Art der auszuübenden Tätigkeit eine Wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt und die damit verbundene Zwecksetzung rechtmäßig und angemessen sei. Hiervon ist auszugehen, wenn ein bestimmtes Merkmal „unverzichtbar Voraussetzung“ für die Ausübung einer Tätigkeit ist. D.h. dass eine Tätigkeit ohne dieses Merkmal entweder gar nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann und das Merkmal somit prägende Bedeutung für die auszuübende Tätigkeit hat. Maßgebend hierfür ist eine funktionale Betrachtung aus objektiver Sicht und nicht der zeitliche Anteil, den die Tätigkeit ausmacht. Entscheidend ist, ob das vom Arbeitgeber erstellte Anforderungsprofil ein bestimmtes Geschlecht für erforderlich hält um die vom Arbeitgeber definierten unternehmerischen Zwecke tatsächlich zu verwirklichen.
Dabei können auch Rechtsbeziehungen zu Dritten, gegenüber denen die bestimmten Leistungen zu erbringen sind, von Bedeutung sein. Im vorliegenden Fall ergibt sich die Unverzichtbarkeit des weiblichen Geschlechts für die Ausübung der Tätigkeit daraus, dass die abzuleistenden Nachtdienste eine unmittelbare Kontrolle der Mädchenzimmer, der angeschlossenen Dusch und Sanitärräume sowie ggf. auch eine ärztliche Erstversorgung erkrankter Schülerinnen beinhalte. Hierbei besteht im Falle des Einsatzes einer männlichen Person die Gefahr, dass freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie der Schutz der Intimsphäre der betroffenen Schülerinnen gefährdet und beeinträchtigt werden könne. Der Zweck der Ungleichbehandlung ist daher aus Sicht des BAG rechtmäßig und angemessen. Die Rechtmäßigkeit folge aus dem Erziehungsauftrag. Das BAG konkretisiert hier erstmals die Anforderungen für eine Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen beruflicher Anforderungen. Das fragliche Diskriminierungsmerkmal muss nicht objektiv unverzichtbar sein, sondern „nur“ ein wesentliches Merkmal, um die ausgeschriebene Tätigkeit im Hinblick auf berechtigterweise verfolgten unternehmerischen Interessen sinnvoll und effektiv erledigen zu können. Besonders groß sind die Handlungsspielräume des Arbeitgebers dort, wo berechtigte Interessen Dritter betroffen sind.